Mittwoch, 22. Februar 2012

Ein paar Gedanken zur Bedeutung von Arbeit... und tausend Fragen...

In Zeiten großer Arbeitslosigkeit, so sollte man meinen, würden Kinder sich auf etwas anderes vorbereiten als auf ein orthodoxes Arbeitsleben. Sich stattdessen noch intensiver auf Arbeit vorzubereiten als zuvor und dann nach Verlassen der Schule vom Arbeitsmarkt abgelehnt zu werden, heißt, in eine Situation des Versagens und der Ziellosigkeit gedrängt zu werden. Fast scheint es, als sei die Resignation unserer jungen Arbeitslosen insgeheimes Ziel des Systems. - David Gribble in "Auf der Seite der Kinder - Welche Reform braucht die Schule?" -
Wir leben heute immer in Vorbereitung auf morgen. Bereits die Erzieherinnen unseres Kindergartens sagten, dass ihre Hauptaufgabe darin besteht, die Kinder auf die Schule vorzubereiten. Die Schule soll natürlich auf das Berufsleben vorbereiten (wobei an anderer Stelle ernsthaft darüber nachzudenken ist, ob ihr dies tatsächlich gelingt und gelingen kann). Soll sie denn auch auf das Leben vorbereiten? Während des Berufslebens wirst du dich dann auf deine Pensionierung und dein Rentnerdasein vorbereiten. "Wie, sie haben noch nichts für Ihre Rente getan?" wurde ich als mittzwanzigjährige Studentin von einem besorgten Postbankangestellten gefragt... In einer Doku neulich erzählte eine Mutter, dass ihrer Tochter, nachdem sie in die dritte Klasse gekommen war, zum Geburtstag gewünscht wurde: "Alles Gute zum Geburtstag und dass du den Übertritt (in die weiterführende Schule) gut schaffst."

Erziehung scheint Erziehung zur Arbeit zu sein. Arbeit - um Geld zu verdienen, Vorzusorgen, Besitztümer anzuhäufen - scheint das Wichtigste im Leben zu sein. Mit der Frage "Was willst du denn später mal werden?" wird schon den Kleinen gezeigt, worauf es im Leben ankommt. "Du solltest langsam mal wissen, was du werden willst!?" werden die Großen ermahnt.
"Wenn du dich in der Schule nicht anstrengst, wirst du es später schwer haben."
"Wenn du nicht mindestens einen Realschulabschluss hast, wirst du keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben." Dir wird beigebracht, permanent daran zu denken, dass Arbeit das Einzige und Allerwichtigste ist, worauf es im Leben ankommt. Dir wird beigebracht, dass es schwer sein wird, Arbeit zu finden, und dass du schon jetzt alle Energie deines Daseins darauf verwenden solltest, dich darauf vorzubereiten. Aber nicht irgendeine Arbeit, sondern mindestens...

Was wäre eigentlich sinnvoll? Ich glaube, es wäre sinnvoll, einmal über den Zusammenhang zwischen Leben und Arbeit nachzudenken.

Arbeit ist nicht alles im Leben, und Leben ist nicht nur Arbeit (das klingt banal, aber das scheinen viele Menschen nicht zu wissen bzw. nicht so zu sehen - also, ich behaupte das zumindest mal). Arbeit ist ein Aspekt des Lebens, neben vielen weiteren Aspekten. Ich selbst kann entscheiden, welchen davon ich wieviel Raum in meinem Leben geben will. Welche anderen Aspekte gibt es? Welchen Stellenwert und welchen Raum soll Arbeit in meinem Leben haben? Worüber möchte ich mich definieren? Worin möchte ich Erfüllung finden, worin Lebenssinn erfahren? Das kann meine berufliche Arbeit sein. Kann aber auch nicht sein. Finde ich dann Erfüllung in meinen Hobbies? "Hobbies" klingt immer so, als sei es nur das Füllmaterial der Pausen zwischen der Arbeit. Oder ist vielleicht die Arbeit meine Hobbypause? Wenn mich die Arbeit nicht erfüllt, sollte sie nicht der entscheidende Aspekt in meinem Leben sein. Dann sollte ich nicht mich und meinen Wert und meinen Erfolg über die Arbeit definieren. (Und ich könnte drüber nachdenken, ob und wie lange ich diese Arbeit noch weiter machen will.) Das gilt ganz besonders dann, wenn ich "keine Arbeit finde". Und geht das überhaupt, dass ich keine Arbeit finde?

Es könnte sich lohnen, einmal darüber nachzudenken, welche persönliche Bedeutung deine Arbeit - dein Beruf - für dich haben soll.
  • Soll sie "nur" den Zweck erfüllen, Geld zu verdienen? Willst du eine Arbeit nur des Geldes wegen tun?
  • Soll sie sinnvoll sein? Möchtest du, dass sie dein Leben mit Sinn erfüllt?
  • Soll sie dein Talent verkörpern? Möchtest du etwas tun, was du gut kannst oder das, was du am besten kannst (sofern du weißt, was das ist)? 
  • Und was, wenn das, was du gut kannst, dir keinen Spaß macht? 
  • Oder was, wenn es dir Spaß macht, du damit aber nicht viel Geld verdienst?
  • Soll sie dir Spaß machen? Geht das überhaupt? Oder kann man nicht erwarten, dass Arbeit Spaß macht?
  • Wird das Thema "Arbeit" vielleicht ganz und gar überbewertet? Denn schließlich sieht es ja so aus, als würde uns die Arbeit ausgehen.
Sollte vielleicht eine der wichtigsten Aufgabe von Schule sein, dich zu unterstützen, Antworten auf diese Fragen zu finden???

Die Gedanken zur Bedeutung von Arbeit sind noch lange nicht (und nur an dieser Stelle) zu Ende...

2 Kommentare:

  1. Ein Kommentar von Katja:

    Ich denke, es steht nicht so schlecht um die Menschen, Schüler und Lehrer in unserem Land, wie du befürchtest - zumindest, was das Gedankenmachen um den Sinn von Arbeit in unseren Leben und deren Verhältnis zu anderen, ebenfalls wichtigen Inhalten angeht. Wir sprechen sehr viel darüber, daheim, aber auch mit Schülern. Der für mich wichtige Punkt ist, dass jeder hier, für welches Leben, welchen Stellenwert und welche Arbeit er sich auch entscheidet, dass er seine Wahlfreiheit nicht über die Interessen anderer stellt; konkreter: Wenn sich jemand dafür entscheidet, gar nicht oder so wenig zu arbeiten, dass er finanzielle Hilfe des Staates, der anderen, braucht, halte ich diese Entsch. für unfair; seine Freiheit ist dann die Unfreiheit anderer. Bitte verurteile auch all die vielen nicht, die nicht ihrer "Lieblings"beschäftigung nachgehen, weil sie damit sich und ihre Kinder ohne Staatahilfe nicht ernähren könnten. Das ist Einsicht in die Realität und die Akzeptanz der eigenen Verantwortung. Insbesondere die Geisteswissenschaftler und unterbezahlten handwerklichen wie dienstleistenden Berufe arbeiten und schaffen Werte; können sich davon aber nicht ernähren oder gar an Kinder denken. Sollen sie auf Kinder verzichten? Die Hilfe der anderen annehmen? Oder selbstverantwortlich sehr sehr viel bzw. etwas ungeliebtes arbeiten? Und was sollte nun die Schule leisten? Gute Frage! Jedenfalls nicht die Selbstverantwortlichkeit von den Familien nehmen.

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    1. Liebe Katja, ich habe eine Weile über deine Anmerkungen nachgedacht.
      Was mir ganz wichtig ist, ist, sich der Dinge bewusst zu werden, die unsere Entscheidungen beeinflussen und sich bewusst zu entscheiden. Wenn ich mich bewusst entscheide, geht es mir immer besser - und das vor allem, wenn die Konsequenzen meiner Entscheidung negativ oder schlechter als gewünscht sind - als wenn ich das Gefühl habe, Opfer von Umständen zu sein bzw. wenn ich das Gefühl habe, nicht selbst entschieden zu haben.
      Genauso wenig, wie ich darüber urteilen möchte (und schon gar nicht verurteilen) welche Beschäftigung jemand wählt, möchte ich darüber urteilen, für welchen Arbeitsumfang er sich entscheidet. Mir geht es um das bewusste Entscheiden. Gerade in einer Welt, in der möglicherweise keine oder nur unzureichend vergütete Arbeit zu finden ist, ist diese Bewusstheit wichtig. Und zugleich finde ich es wichtig, zu überlegen, wie der eigene Handlungsspielraum erweitert werden kann bzw. welche Möglichkeiten es gibt - auch die, über die ich vielleicht noch nie nachgedacht habe. An diesen wichtigen Prozess des bewussten Entscheidungsfindung dachte ich, als ich meinte, Schule sollte daran beteiligt sein bzw. über diese Fragen zu reflektieren finde ich wirklich sinnvoll. Und dabei geht es genau um eigenverantwortliche Lebensgestaltung.
      Jeder Mensch sollte sich seiner Wahlfreiheit bewusst sein - und selbstverständlich über die jeweiligen Konsequenzen seiner Entscheidung. Würde mir z.B. jemand begegnen, der sich entschieden hat, nicht zu arbeiten, so würde ich ihn nach seinen Gründen fragen und wissen wollen, ob dies eine bewusste Entscheidung war. Natürlich könnte ich das einfach verurteilen, aber schließlich hat die Person eine der vorhandenen Möglichkeiten gewählt, warum soll ich es verurteilen. Auf die Gründe dieser Wahl wäre ich neugierig. Im übrigen empfinde ich persönlich es als Unfreiheit, sich in die Abhängigkeit finanzieller Hilfe des Staates zu begeben, und nicht als Freiheit (außer die Freiheit, das zu entscheiden, und die meisten würden vielleicht auch sagen, dass sie nicht das Gefühl haben, sich dafür entschieden zu haben).
      Jeder muss entscheiden, ob er seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen will oder nicht - mit allen jeweils dazugehörigen Konsequenzen. Das ist mit Sicherheit nicht einfach.
      Und worum es mir auch geht ist, die Definition von Arbeit genau zu beleuchten und zu schauen, wann uns diese Definition einschränkt und wann wir eben mehr Freiheit und Selbstbestimmung erleben bzw. Selbstverantwortlichkeit wahrnehmen können.
      Diese Aufgabe ist nicht nur im jugendlichen Alter von großer Bedeutung, aber in eben diesem Alter halten sich Menschen zum großen Teil in der Schule auf, daher sollte diese bei der Reflektion über diese ganzen Fragen dienlich sein.

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Gedanken einer "Schulhasserin"

"Als ich noch zur Schule ging, wurde ich oft gefragt, ob es mir gefiele. Manchmal sagte ich ja, manchmal nein. Allerdings dachte ich...