Mir sind zwei "schulschwänzende Jugendliche" begegnet, die nicht wussten, dass sie lernen.
Ein 15-jähriger Junge kam in die Praxis und erzählte, dass er seit ein paar Wochen nicht mehr in die Schule ginge. Eines Tages konnte er einfach nicht mehr hingehen. Er wusste nicht, warum. (Ich ahnte es.) Ihm kamen die Tränen, als er das sagte. Er konnte seine Reaktion einfach nicht verstehen. (Ich schon.)
Was er denn in den drei Wochen gemacht habe? Er war mit einem Kumpel die Schafe dessen Eltern hüten. Er habe mit anderen Kumpels Motorroller zusammengeschraubt. Als er von den praktischen, handwerklichen Tätigkeiten erzählte, die er gern machte, leuchteten seine Augen.
Dieser Junge hatte getan, was ihn interessierte, woran er Spaß hatte. Er hatte gelebt und gelernt. Er hatte instinktiv das für ihn Richtige getan. Und er hatte ein schlechtes Gewissen. Er glaubte, das sei falsch, er sei falsch, mit ihm stimme was nicht, er müsse anders sein.
Seine Mutter, die dabei war, sagte, er müsse irgendwie wieder zur Besinnung kommen.
Wie schön wäre es gewesen, hätte er erkennen dürfen, dass er die ganze Zeit "gelernt" hat, dass das, was er die ganze Zeit tat, für ihn gut und sinnvoll und nützlich war - dass diese Bildung, die er in Freiheit genoß, seine Bildung war! Leider hatte ich in diesem Moment nicht die Gelegenheit, ihm das zu sagen. Und ich glaube, die Mutter hätte das nicht hören wollen. Seitdem habe ich ihn nicht vergessen.
Eine 17-Jährige kam mit ihrer Mutter, weil sie mehrere Wochen lang nicht in der Schule war. Es habe eine Weile gedauert, bis die Eltern es mitbekommen hatten. Sie war ein eigenwilliges Mädchen, das beeindruckenderweise sehr zu ihrer Eigenwilligkeit stand.
"Ich stoße oft Menschen ab", sagte sie.
Wie sie das mache? "Ich sage, was ich denke, und das stößt sie ab."
Sie hatte ein Auslandsjahr in den USA hinter sich. Dort war sie in einer Privatschule gewesen, in der sie sehr freundlich aufgenommen worden war. Die Schüler seien auf sie zugekommen und hätten sich für sie interessiert. Als sie zurückkam, fand sie keinen Anschluss mehr.
"Aber eigentlich war ich schon immer anders", sagte sie.
Warum war sie nicht mehr in der Schule? Sie sagte, mit dem Lehrstoff hätte sie keine Probleme, sie fühle sich einfach nicht wohl.
"Ich kann nicht ich selbst sein. Ich muss mich verstellen. Außerdem interessiert mich vieles nicht, was wir da machen."
Was sie in der Zeit gemacht habe? Sie habe sich zuhause versteckt, die Eltern waren nicht da. Sie habe im Bett gelegen und Hausaufgaben gemacht und angefangen, ein Lexikon zu lesen.
Sie hatte etwas für sie Sinnvolles getan. Sie hatte sich das Umfeld geschaffen, in dem sie sich wohler fühlte und dort gelernt. Ihre Mutter, die Lehrerin war, nannte es eine Sinnkrise, die sicher bald vorbei ginge bzw. die doch bald vorbeigehen müsse.
Ich wünschte, die Jugendlichen würden ernst genommen und dürften selbst entscheiden, was ihnen gut tut. Ich wünschte, sie dürften ihre Bildung selbst in die Hand nehmen, wenn sie es wollten und niemand würde sie daran hindern, wenn sie es täten, wie diese beiden jungen Leute. Ich wünschte, ich hätte ihnen sagen können, wie gesund und bewundernswert das war, was sie taten.
Aber wer steht hinter ihnen, wenn nicht einmal ihre Eltern?
hi Franzi, schöner text, lade die jungen leute doch zum nächsten Septre treffen ein. den link findest du auf facebook. lg Andrzej
AntwortenLöschenIch lade junge und nicht-so-junge Menschen per Flugblatt zu http://edu-lu-tion.com ein, da kann man gleich noch gut Englisch und Geschichte lernen.
AntwortenLöschenDer Flyer sieht folgendermaßen aus:
School sucks! (huge)
Podcast (small)
Das Ende staatlicher Beschulung.
Wenn wir als Kinder in die Schule kommen, sind wir neugierig, erfindungsreich, einzigartig, kreativ und erwartungsfroh. Doch mit der Zeit saugt Schule diese wichtigen Eigenschaften aus zu vielen von uns heraus und ersetzt sie mit Berechenbarkeit, Gehorsam und Teilnahmslosigkeit – spätestens wenn wir Lehrer sind.
www.schoolsucksproject.com
www.edu-lu-tion.com
Immer wieder beeidruckend, das Zitat im Fuß der letztgenannten Webseite: "Es gibt keine neutrale Bildung. Bildung ist nur entweder zur Erlangung von Unterordnung oder Freiheit." -Joao Coutinho
Danke für eure Tipps!
AntwortenLöschenJester, schönes Zitat! Das werd ich weiterverbreiten :)